Corona-Pandemie gefährdet Existenz vieler Unternehmen

Einige Branchen weisen überdurchschnittlich hohe Anteile an insolvenzgefährdeten Unternehmen auf. Besonders die Gastronomie sticht hier heraus: 16 Prozent der kleinen Gastronomieunternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten (fast 24.000 Unternehmen) weisen eine schwache Bonitätsbewertung auf. Ebenfalls überdurchschnittlich hohe Anteile an kleinen Unternehmen mit schwacher Bonität finden sich bei den Automobilzulieferern (15 Prozent) und in der chemisch/pharmazeutischen Industrie (14 Prozent). Bei den größeren Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten zeigt sich ein etwas anderes Bild. Hier sind die Anteile der insolvenzgefährdeten Unternehmen deutlich geringer. An der Spitze findet sich aber auch hier die Gastronomie, gefolgt vom Beherbergungsgewerbe und den Sport- und Freizeitdienstleistungen. In den beiden letztgenannten Branchen stand ein jeweils erklecklicher Anteil der großen Hotels und Freizeitunternehmen schon vor der Krise am Rande der Insolvenz.
„Diese Ergebnisse spiegeln die Strukturprobleme der privaten Wirtschaft in Deutschland vor der Corona-Krise wider“, erläutert Dr. Georg Licht, Forschungsbereichsleiter am ZEW, „sie zeigen die Verhältnisse zu Beginn der Krise. Die Branchen werden aber in ganz unterschiedlicher Weise durch einen monatelangen Stillstand des Wirtschaftslebens betroffen sein“. Größere Anschaffungen, vielleicht auch Urlaubsreisen, werden zum Teil nachgeholt werden. Dienstreisen, Kino- und Konzertbesuche aller Voraussicht nach dagegen nicht. Gerade die Freizeit-, Sport- und Kulturdienstleister werden in besonderem Maße unter dem zeitweiligen Nachfrageausfall leiden. Je nach Dauer des Lockdowns können ihre Jahresumsätze um 30 bis 40 Prozent geringer ausfallen. Solche Einbrüche katapultieren auch Unternehmen mit vorher guter Bonität in die Insolvenz, wenn sie keine Unterstützung erhalten. „Dass die Bundesregierung hierfür keine Grenzen definiert hat, ist richtig“, meint ZEW-Ökonom Dr. Georg Licht, „der Erhalt der Unternehmensstrukturen über eine begrenzte Durststrecke hinweg ist auf längere Sicht ökonomisch besser, als eine Insolvenz von im Grunde gesunden Unternehmen zuzulassen, die dann nach der Krise erst wieder gegründet und neu aufgebaut werden müssen.“ In den vorab dargelegten Untersuchungsergebnissen nicht enthalten sind die rund 440.000 jungen Unternehmen der Privatwirtschaft, die jünger als vier Jahre sind. Sie beschäftigen derzeit etwa 1,2 Millionen Mitarbeiter/innen. Als Neueinsteiger auf den Märkten sind sie oft grundsätzlich in einer angespannten finanziellen Situation. Produkte oder Dienstleistungen müssen sich erst noch auf den Märkten etablieren. Für Unternehmen mit radikal neuen Angeboten ist dies ohnehin problematisch – auch ohne Krise. Deren potentielle Kunden müssen vom Nutzen überzeugt werden, die Marktdurchdringung dauert länger. Daher ist davon auszugehen, dass diese jungen Unternehmen weitaus stärker gefährdet sind als die älteren.
Infokasten „Bonitätsindex“ Creditreform berechnet den Bonitätsindex für die Unternehmen aus der Ausfallwahrscheinlichkeit gemäß Basel II, aus dem Branchenrisiko, dem regionsspezifischen Risiko ihres Standorts, dem Unternehmensalter, der Unternehmensentwicklung, den Relationen von Kapital / Umsatz und Umsatz / Mitarbeiteranzahl, der Unternehmensgröße, der Erfahrung des Managements, der Auftragslage sowie einigen weiteren Unternehmensmerkmalen. Der Bonitätsindex gibt Auskunft über die jeweilige Unternehmensbonität. Er besteht aus acht Klassen von „ausgezeichneter Bonität“ über „sehr gute“, „gute“ und „mittlere Bonität“ bis „schwache“, „sehr schwache“, „mangelhafte“ und schließlich „ungenügende Bonität / Zahlungseinstellung“ und wird auf einer Skala von 100 (ausgezeichnete Bonität) – 600 (Insolvenz) bewertet. Hier wurden Unternehmen ab einer Bewertung mit „schwacher Bonität“ oder schlechter, als gefährdet bewertet.
ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim
Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW rund 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.
Forschungsfelder des ZEW
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