Die Balance der Gehirnzellenaktivität

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Elektrische Triggerzonen der Neurone verändern sich mit der Erfahrung

Um Informationen in unserem Gehirn zu verarbeiten, erzeugen Nervenzellen (Neurone) kurze elektrische Impulse, sogenannte Aktionspotenziale, die von einer hochspezialisierten Triggerzone in der Nähe des Axonhügels, dem sog. Axoninitialsegment (kurz AIS), ausgelöst werden. Wissenschaftler des Instituts für Neuroanatomie am Mannheim Center for Translational Neuroscience (MCTN) konnten nun in Zusammenarbeit mit Forschern des Netherlands Institute for Neuroscience in Amsterdam, Niederlande, und der Universitätsmedizin Göttingen überraschenderweise zeigen, dass sich die AIS mit der Erfahrung verändern: Mit zunehmender Anzahl sensorischer Erfahrungen verkleinern sie sich. Kommt hingegen mangels Erfahrungen wenig Input im Gehirn an, so verlängert sich das AIS. Die Ergebnisse der Arbeit wurden im renommierten Journal Nature Communications veröffentlicht.

Der Versuchsansatz: Erkundung der Umwelt

Nagetiere nutzen für die aktive Erkundung ihrer Umgebung, etwa bei der Nahrungssuche, hochsensitive Tasthaare an ihrer Schnauze. Die Tasthaare sind auf direktem Wege mit dem Gehirnareal verbunden, das die Informationen aus der Umwelt verarbeitet. Um zu untersuchen, ob sich die Neurone mit der Zahl sensorischer Erfahrungen verändern, setzte das Team um Dr. Maren Engelhardt, Leiterin der Forschergruppe „Axonale Plastizität“ am MCTN, Mäuse in eine Umgebung, die mit vielen neuen Objekten mit variablen Texturen, Formen und Größen angereichert war. Die Forscher stellten dabei fest, dass die verantwortlichen Neurone als Folge der vermehrten Reize, die die Erkundung der reichhaltigen Umgebung mit sich brachte, innerhalb kürzester Zeit aktiv die Länge ihrer AIS verkürzten; gleichzeitig sank die Rate der elektrischen Impulse. Konnten dagegen sensorische Reize das Gehirn nicht erreichen, weil die Tasthaare der Nager beeinträchtigt waren, verlängerten sich die AIS und es wurden mehr elektrische Impulse generiert.

Axonale Plastizität

Strukturelle Veränderungen von Neuronen sind ein Phänomen, das Wissenschaftler als „Plastizität“ bezeichnen. Sie bildet die Grundlage dafür, dass wir unser ganzes Leben lang weiter lernen und uns an eine ständig verändernde Welt anpassen können. Bisher ging man davon aus, dass anatomische Veränderungen in Neuronen vor allem an den Kontaktstellen zu anderen Zellen, den sogenannten Synapsen, stattfinden. Die vorliegende Studie zeigt jedoch, dass Plastizität auch an den Triggerzonen für elektrische Impulse auftritt. Diese Domänen, mit denen die Neurone Aktionspotenziale generieren, tragen also offenbar zur Balance einzelner Zellen, und damit auch des gesamten Hirnnetzwerks, bei. Dies ist insbesondere wichtig, um Übererregung zu vermeiden, wie sie bei manchen krankhaften Veränderungen des Gehirns vorkommt. Welche molekularen Mechanismen diese Art von Plastizität erzeugen, ist eine der Fragen, denen die Wissenschaftler nun auf den Grund gehen wollen.

Originalpublikation
Sensory input drives rapid homeostatic scaling of the axon initial segment in mouse barrel cortex.
Nora Jamann, Dominik Dannehl, Nadja Lehmann, Robin Wagener, Corinna Thielemann, Christian Schultz, Jochen Staiger, Maarten H. P. Kole, Maren Engelhardt
Nature Communications, 2021; 12 (1)
DOI: 10.1038/s41467-020-20232-x

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