Herausforderungen bei der Integration ausländischer Pflegekräfte in bestehende Teams

Mittwoch, Apr. 30, 2025
Frau Hitzl, Frau Roelandt, welches sind Ihre Aufgaben im Zusammenhang mit Mitarbeitenden aus anderen Herkunftsländern?
Verena Hitzl: Als Pflegedirektorin bin ich bereits zu einem frühen Zeitpunkt in das Prozedere eingebunden. Ich führe beispielsweise die Vorstellungsgespräche, die in der Regel per Teams stattfinden. Wenn dann ein Arbeitsverhältnis zustande kommt, entscheide ich in Rücksprache mit den Stationsleitungen, welche Station für die- oder denjenigen geeignet ist. Ich begrüße die neuen Mitarbeitenden bei ihrer Ankunft persönlich und auch danach steht ihnen meine Türe jederzeit offen.
Tina Roelandt: In mein Aufgabengebiet fällt die Begleitung der Einarbeitung der neuen Kolleginnen und Kollegen. Ich schule sie zu bestimmten Tätigkeiten, um sie an unsere Arbeitsweise heranzuführen. Zum Beispiel biete ich Workshops zum Thema Lagerung/Positionierung/Transfer und rückenfreundliches Arbeiten an – das ist für viele völlig neu. Zudem begleite ich sie auch ein Stück weit bei der Vorbereitung auf die praktische und mündliche Anerkennungsprüfung. Hierbei nehmen wir uns Zeit zum praktischen Üben und zum Vortragen der Antworten. Im Rahmen unseres Kooperationsprojekts mit der Zentrale Auslands- und Fachvermittlung und zwei Kliniken in Brasilien war ich außerdem an der Erstellung eines Modulkonzepts beteiligt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse flossen in unsere weitere Arbeit ein.
Wurden Sie auf die Anforderungen vorbereitet, die die Integration neuer Mitarbeitender aus Drittstaaten mit sich bringt?
Verena Hitzl: Ja. Ich habe diverse Fortbildungen zu dem Thema absolviert. Beispielsweise bietet VAMED Gesundheit Deutschland das Format „Faire Integration und Anwerbung internationaler Pflegekräfte“ an, das sehr hilfreich ist. Ich pflege außerdem einen engen Austausch mit Anbietern von Anerkennungskursen sowie mit unserem unternehmensinternen Integrationsbeauftragten.
Tina Roelandt: Im Rahmen des Brasilien-Projekts hatten wir die Möglichkeit, verschiedene Online-Fortbildungen zu absolvieren, z.B. den Kurs „Diversity and Inclusion“ der Zeit-Akademie, denn dieses Projekt fiel mitten in die Corona Pandemie. Inzwischen ist es einfacher geworden, sich über Online-Medien oder auch Seminare mit berufspädagogischen Inhalten zu schulen. Gerade eben hat das gesamte Praxisanleiter-Team ein Seminar zum Thema „Kultursensibilität in der Ausbildung/Einarbeitung“ gemacht. Mit den Prüfern und Anbietern der Anerkennungskurse sind wir auch in Kontakt. Konzernweit finden im Bereich der Integration und Praxisanleitung von Mitarbeitern aus Drittstaaten regelmäßige (Online-) Treffen und Besprechungen statt.
Gibt es wiederkehrende Herausforderungen, die die Integration ausländischer Pflegefachkräfte mit sich bringt?
Verena Hitzl: Hier muss man meines Erachtens unterscheiden zwischen der fachlichen, der sprachlichen und der kulturellen Ebene. Was das Fachliche angeht, muss man wissen, dass die Pflegeausbildung in den meisten Ländern andere Schwerpunkte hat als in Deutschland. Oft handelt es sich um ein sehr wissenschaftlich ausgelegtes Pflegestudium, das bis auf ein kurzes Praktikum so gut wie keine praktische Ausbildung am Patienten beinhaltet. Die praktischen Erfahrungen der neuen Kollegen sind somit oft vor allem im medizinischen Bereich zu finden, weniger in der klassischen pflegerischen Versorgung. Diese muss den neuen Pflegekräften dann erst beigebracht werden. Das führt manchmal zu Unmut auf den Stationen, da die Erwartung an die neuen Kollegen nicht erfüllt werden kann. Aber auch in medizinischen Belangen fehlt oftmals die praktische Erfahrung, oder die medizinischen Begrifflichkeiten müssen erst gelernt werden, beispielsweise beim Medikamentenmanagement.
Tina Roelandt: Das Berufsbild ist in vielen Ländern eher in Form einer Arztassistenz zu sehen, mit Schwerpunkt auf organisatorischen Aufgaben und Supervision. In einigen Ländern übernehmen auch die Angehörigen einen Großteil der Körperpflege, also Waschen, Anziehen, und Essensversorgung.
Sehen Sie auch Vorteile in den fachlich abweichenden Ausbildungen?
Verena Hitzl: Ja. Wenn die sprachlichen Barrieren abgebaut wurden, kann das akademische Fachwissen durchaus für die Erweiterung der hausinternen Qualitätsstandards genutzt werden.
Sie hatten vorhin sprachliche Probleme erwähnt. Welche Erfahrungen haben Sie mit den Deutschkenntnissen der ausländischen Mitarbeiter gemacht?
Verena Hitzl: Leider entspricht das Sprachniveau nicht immer der Erwartung. Oftmals werden Mitarbeiter mit einen Sprachzertifikat auf B2-Niveau eingestellt, bei denen das tatsächlich gesprochene Deutsch dann aber nicht einmal B1-Niveau erreicht. Die Gründe liegen hier häufig am langwierigen Einreiseprozess. Da ist die Zeit nach Absolvieren des Sprachkurses im Heimatland bis zur Einreise nach Deutschland einfach zu lang. Die erworbenen Sprachfertigkeiten werden in der Zwischenzeit schlichtweg wieder vergessen.
Wie begegnen Sie der Sprachproblematik?
Tina Roelandt: Wir unterstützen die ausländischen Mitarbeitenden so gut es geht. Bei den Gruppen, die in der Einarbeitung von uns betreut werden, haben wir ein Bilderwörterbuch im Einsatz. Wenn es um sehr wichtige Sachverhalte geht, lassen wir diese mit Hilfe einer Übersetzungs-App in die jeweilige Muttersprache übersetzen, die Mitarbeiter sollen das Ganze dann auf Deutsch erklären. Letztendendes kommt es auf die Eigeninitiative und das Engagement der neuen Kolleginnen und Kollegen an. Ich selbst spreche Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch, ein wenig Vietnamesisch und vor Beginn des Brasilienprojekts habe ich einen Sprachkurs in Portugiesisch gemacht.
Brasilianische Mitarbeiter sprechen oft kein Englisch, daher kommen sie mit der deutschen Mentalität „wenn man mich nicht versteht, spreche ich Englisch“ nicht gut zurecht. Die chinesischen und philippinischen Mitarbeiter sind im Englischen – auch im Medical English – hingegen sehr gut ausgebildet.
Wir haben eine Liste, welcher Mitarbeiter welche Sprache spricht und können so oft jemanden holen, der übersetzen kann. Inzwischen haben sich eigene Gruppen unter den Mitarbeitern gebildet, die sich gegenseitig unterstützen. Viele arbeiten auch mit Google Translater – das geht aber nur im kollegialen Miteinander, am Patientenbett sind Handys verboten. Mir persönlich ist es wichtig, dass die Mitarbeiter menschlich mit unseren oft von schweren Schicksalsschlägen betroffenen Patienten umgehen. Ob das sprachlich einwandfrei ist, sei dahingestellt. Allerdings muss dabei eine Gefährdung der Patienten ausgeschlossen sein.
Kommen wir zu den kulturellen Unterschieden. Wie machen sich diese bemerkbar?
Tina Roelandt: Als Beispiel fällt mir ein, dass asiatische Mitarbeiter es meist nicht gewohnt sind, mit Kritik oder Verweigerung offen umzugehen oder Probleme zuzugeben. Bei anderen Kulturen ist der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Mitarbeitenden oder die Toleranz gegenüber einer weiblichen Führungskraft manchmal ein Problem.
Wie gehen Sie gerade mit Letzterem um?
Tina Roelandt: Der Mitarbeiter muss sich einfach daran gewöhnen, dass auch Frauen Weisungsbefugnis haben. Dies ist dann vielleicht unter Kulturschock zu verbuchen, wird aber in der Regel früher oder später akzeptiert.
Wie nehmen die bestehenden Teams die ausländischen Kollegen auf? Gibt es Vorbehalte?
Verena Hitzl: Das kann man nicht verallgemeinern, die gibt es mal mehr, mal weniger. Wie gesagt, können schlechte Deutschkenntnisse und das Fehlen der praktischen Erfahrung zu Unmut führen. Hat ein Team überwiegend positive Erfahrungen mit den neuen Kollegen gemacht, sind die Vorbehalte bei fast Null.
Tina Roelandt: Wenn die Versorgung der Patienten auf eine empathische und respektvolle Weise geschieht, wird der Mitarbeiter sehr schnell ins Team integriert und kann sich dadurch weiterentwickeln.
Was kann von Klinikseite dazu beitragen, dass die Integration gelingt?
Verena Hitzl: Man muss die bestehenden Teams auf die neuen Mitarbeitenden und die zu erwartenden Herausforderung vorbereiten. Die Station darf in aller Regel nicht damit rechnen, dass die neuen Kollegen sofort voll einsatzfähig sind. Wir werben dann um ein gewisses Maß an Verständnis und Unterstützung.
Nun die abschließende Frage: Wie stehen Sie vor dem Hintergrund all dessen zur Akquise ausländischer Pflegekräfte?
Tina Roelandt: Sie ist nötig, da wir dringend Fachkräfte finden müssen. Unsere Klinikteams sind schon lange international. Gute Arbeit ist nicht an Landesgrenzen gebunden. Die Erwartungen der ausländischen Mitarbeiter unterscheiden sich oft von der beruflichen Realität, die sie hier vorfinden. Es muss allen Beteiligten klar sein, dass reine Akquise nicht ausreicht, sondern ein hohes Maß an Investitionen in Integration und Inklusion gefordert ist, um die Projekte erfolgreich zu machen.
Verena Hitzl: Ohne ausländische Mitarbeiter wäre der Pflegepersonalmangel viel gravierender. Es geht nicht ohne Auslandsakquise. Ich sehe sie auch als Chance, da unsere Erfahrungen tatsächlich überwiegend positiv sind. Und ich denke mir: durch kleine Stolpersteine lernt man dazu.
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