Festakt und Gottesdienst zum Jubiläum „Gewagt – 500 Jahre Täuferbewegung“

Mit einem Festakt in der baptistischen Christuskirche in Hamburg-Altona und einem anschließenden Festgottesdienst in der Mennonitenkirche Hamburg wurde am 21. September das 500-jährige Jubiläum der Täuferbewegung gewürdigt. Auf dem Festakt hielt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Rede.

Die Veranstaltung in Hamburg war die zweite zentrale Gedenkveranstaltung in Deutschland nach dem Gedenkgottesdienst in Stuttgart am 2. Februar in der örtlichen Mennoniten- und Baptistengemeinde. Auch in Zürich, der Geburtsstadt der Täuferbewegung, fand am 29. Mai ein Gedenkgottesdienst zum Täuferjubiläum statt.

Steinmeier: „Täufer sind Teil unserer europäischen Freiheitsgeschichte“

In seiner Rede lobte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Engagement der baptistischen Christuskirche für die Menschen in ihrer Umgebung. „Was für ein Wagemut hinter der Täuferbewegung steckt, weiß heute keiner mehr“, so Steinmeier. Daher sei es gut, dass es ein Täuferjubiläum gebe. Im Rückblick auf die Entstehung der Täuferbewegung in Zürich stellte er fest: „Wer sich [damals] gegen die Obrigkeit stellte, riskierte alles“. Die Erwachsenentaufe stehe für individuelle Freiheit und Mündigkeit. „Mit der Handlung der Taufe wurde auch die Machtfrage aufgeworfen.“ Die Täuferbewegung wünschte sich ein höheres Maß der Unabhängigkeit als die Reformatoren. Sie stellte die grundlegende Frage zur Freiheit des Gewissens und der Entscheidung. Die Täufer praktizierten Ideale, die heute zum Fundament der freien Gesellschaft gehören, beispielsweise die Trennung von Staat und Kirchen, so Bundespräsident Steinmeier. „Täufer sind Teil unserer europäischen Freiheitsgeschichte.“ Sie verstanden Mündigkeit als Teil einer Verpflichtung, nicht als eine Art von „Selfcare“, sondern sie übernahmen auch eine Verantwortung für die Gemeinschaft. Ein anderer Gedanke der Bewegung sei die Gewaltlosigkeit. Hier räumte er ein, dass dies politisch schwer umzusetzen sei. Wer Freiheit schützen wolle, müsse sie verteidigen können. „Aber friedlich für Überzeugungen einzustehen, davor habe ich Respekt“, so Steinmeier, und wandte sich an die Anwesenden: „Sie tragen ein kostbares Erbe weiter.“  Er sagte weiter: „Wir sind aufgerufen, miteinander zivil und mit Argumenten und Respekt gleichermaßen um die beste Lösung zu streiten“. Am Ende seiner Rede gratulierte er herzlich zum Täuferjubiläum und schloss mit den Worten: „Mögen Sie die Kraft finden, Ihren Weg des Engagements fortzusetzen. Das brauchen wir in der Gesellschaft dringend.“

Festvortrag: Täufer sind Nonkonformisten

Aspekte der Rede des Bundespräsidenten wurden von Dr. Astrid von Schlachta (Mennonitin, Historikerin und 1. Vorsitzende der Koordinierungsstelle des Täuferjubiläums) und Prof. Andrea Strübind (baptistische Theologin und Professorin für Kirchengeschichte an der Universität Oldenburg) in ihrem abwechselnd gehaltenen Festvortrag aufgegriffen. Täufer seien Nonkonformisten gewesen, sie weigerten sich, das Schwert zu tragen, so Andrea Strübind. Dies sei „gewagt“, sagte sie in Anspielung auf das Motto des Täuferjubiläums. Sie bewirkten auch die Aufnahme des Menschenrechts der religiösen Freiheit und die Verfassung der USA. Über Jahrhunderte hätten die Täuferinnen und Täufer als „Schwärmer“ gegolten und seien als Nonkonformisten ausgegrenzt worden. Dabei könne auch Deutschland von Minderheiten mit alternativen Denkweisen profitieren: Sie böten ein innovatives Potenzial für gesellschaftliche Veränderungen. Doch viel zu lange hätten sich täuferischen Minderheitenkirchen aus Politik und Gesellschaft zurückgehalten, sagte Strübind.

„Ein Christ greift nicht zur Waffe“, ergänzte Astrid von Schlachta. Besonders jetzt sei der Ruf nach Friedenstüchtigkeit unverzichtbar im öffentlichen Diskurs. Die täuferische Geschichte habe gezeigt: „Gewalt beginnt viel früher als mit der tätlichen Attacke“. Sie beginne bereits dort, wo andere beschimpft werden. Der Ruf nach Friedenstüchtigkeit dürfe nicht als „naiv“ stigmatisiert werden, auch wenn er nur eine Mahnung zur Besonnenheit im allgegenwärtigen Kriegsgeheul sei. Täufer seien eine leise Stimme für Gewaltfreiheit. „Die leise Stimme ist stets eine wichtige und nötige Stimme“, so Schlachta. Es gehe darum, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen und dabei in unserem Alltag anzufangen.

ACK-Grußwort

In einem Grußwort bescheinigte der Vorsitzende der ACK (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen), Deutschland, der anglikanische Reverend Christopher Easthill (Wiesbaden), den Täufern, dass eine Ökumene ohne sie ärmer wäre, weil sie stark den Aspekt der persönlichen Nachfolge Christi betonten. Die Bergpredigt Jesu in die Tat umzusetzen, würde eine echte Zeitenwende bedeuten. Ein demokratisches Gemeinwesen brauche Bürger mit den Werten der Täufer. „Auch in Zeiten sicherheitspolitischer Zwänge muss die Stimme der Friedenskirchen gehört werden“, so Easthill.

Festgottesdienst in der Mennonitenkirche Hamburg

Nach dem Festakt waren die Anwesenden eingeladen, zu Fuß in die gut einen Kilometer entfernte Mennonitenkirche zu pilgern um am anschließenden Festgottesdienst teilzunehmen. In der auf dem neutestamentlichen Bibeltext aus dem ersten Petrusbrief (3,8–15) basierenden Predigt erörterten und aktualisierten drei Sprecherinnen, die jeweils „Vergangenheit“, „Gegenwart“ und „Zukunft“ repräsentierten, die Werte der Täuferbewegung. So wurde betont, dass Hoffnung das Kennzeichen des Christseins ist und man eingeladen sei, an der Verbreitung hoffnungsvoller Perspektiven mitzuarbeiten. Eine solche Haltung inspirierte beispielsweise die Bürgerrechtsbewegung in den USA und ihre Stimme Martin Luther King. Heute stellten die sozialen Medien eine Herausforderung für den Diskurs dar. Hier sei man aufgerufen, einen friedlichen Diskurs ohne Diffamierungen und Schubladendenken zu unterstützen. Petrus rufe dazu auf, die erfahrene Hoffnung mutig und liebevoll weiterzugeben und gegenüber allen Rechenschaft vom Glauben abzulegen, die das einfordern würden. Eine „Zeichenhandlung“, mit der aus einer symbolischen Steinmauer aus Diffamierungen ein Weg der Verständigung gebaut wurde, illustrierte die Aussage der Predigt.

Worte der EKD-Ratsvorsitzenden Fehrs, des römisch-katholischen Bischofs Feige und des VeF-Präsidenten Brenner

Am Gottesdienst nahmen auch Vertreter nicht-täuferischer Kirchen teil und äußerten sich in kurzen Interviews. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Kirsten Fehrs (Hamburg) räumte ein, dass z.B. lutherische Kirchen gegenüber den Täufern Schuld auf sich geladen hätten. Doch inzwischen habe sich das Verhältnis zueinander positiv geändert. Sie dankte den täuferischen Kirchen ausdrücklich für deren Entgegenkommen und bezeichnete sie als „liebe Geschwister“. Der römisch-katholische Bischof des Bistums Magdeburg, Gerhard Feige, zeigte sich beeindruckt von der Festveranstaltung und wolle mithelfen, eine Heilung der Erinnerung zu ermöglichen. Er räumte Verbrechen seiner Kirchen gegenüber den Täufern ein. Jetzt seien Katholiken und Täufer beide in der Minderheit, das könne verbinden und dazu beitragen, zu wachsen und zu reifen. Auch die Unterschiede sehe er als etwas an, das bereichern könne. Marc Brenner, Präses der ebenfalls taufgesinnten freikirchlichen Gemeinde Gottes K.d.ö.R. und Präsident der Vereinigung evangelischer Freikirchen (VeF), sagte ebenfalls, dass Vielfalt ungemein bereichere, dass man voneinander lernen könne und das Verbindende suchen solle.

Hintergrundinformationen zur Täuferbewegung

Die Täufer waren eine reformatorische Bewegung, die im frühen 16. Jahrhundert entstand. Neben der Wittenberger und der Schweizer Reformation bildeten die Täufer, damals polemisch als „Wiedertäufer“ bezeichnet, die dritte reformatorische Strömung. Sie verfolgten das Ziel, als mündige Menschen gemeinsam und konsequent ein an biblischen Maßstäben orientiertes Leben zu führen. Für ihren Glauben nahmen sie Verfolgung, Vertreibung und Hinrichtung in Kauf. Täufer lebten unter anderem in den Niederlanden und in Nordwestdeutschland, in der Schweiz, aber auch in der Kurpfalz, in Bayern, Hessen, Thüringen, in Württemberg sowie in Österreich und in Mähren. Sie konnten trotz Verfolgung durch katholische und protestantische Obrigkeiten eigene Netzwerke und kirchliche Strukturen herausbilden und sich schließlich als tolerierte Minderheit etablieren. Heutzu-tage zählen Gruppen wie Mennoniten, Mennoniten-Brüdergemeinden, Hutterer und Amische sowie Baptisten, die im frühen 17. Jahrhundert im Zusammenhang mit der englischen Reformation entstanden, zum weiten Spektrum der täuferischen Kirchen. Auch die meisten anderen Freikirchen praktizieren die Mündigentaufe. Aus dieser Vielfalt speist sich eine bunte und spannende Erinnerungskultur.

Weitere Informationen

Internet: www.taeuferbewegung2025.de

oder: PD Dr. Astrid von Schlachta, c/o Mennonitische Forschungsstelle, Am Hollerbrunnen 2a, 67295 Bolanden-Weierhof, 06352-700 519, vonschlachta@taeuferbewegung2025.de

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