Streitkultur im Internet – Warum ist Kommunikation im Netz so schwer?
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Montag, Nov. 17, 2025
Immer wieder führen im Internet vermeintlich harmlose Artikel oder Social-Media-Beiträge dazu, dass hunderte oder gar tausende Nutzer sich beschimpfen, provozieren oder beleidigen. Nicht selten sind es sogenannte Trolle, die eine Diskussion gezielt anheizen, bis sie irgendwann in einem handfesten Streit eskaliert. Dabei zeichnet eine sachliche und objektiv geführte Diskussion sich eigentlich dadurch aus, dass man versucht, das Gegenüber mittels logischer Argumente und rhetorischem Geschick von der eigenen Meinung zu überzeugen. Doch diese Kunst scheint, zumindest in online geführten Diskussionen, immer weiter auszusterben.
„Leider ist Lautstärke gegenüber logischen und fundierten Argumenten klar im Vorteil. Darüber hinaus erhält man mit möglichst provokanten Aussagen mehr Aufmerksamkeit als mit Fakten“, erklärt Götz Schartner vom Verein Sicherheit im Internet e.V., einem Mitveranstalter von SpardaSurfSafe. „Hinzu kommt, dass viele sich gerade bei emotional aufgeladenen Themen im Recht sehen, auch wenn es dazu keine ultimativ richtige Meinung gibt.“ Viele Nutzer würden sich meist in ihrer eigenen Bubble bewegen, in der alle der gleichen oder zumindest einer ähnlichen Meinung sind. In diesen Echokammern erhalte man immer wieder Bestätigung. „Wird dann diese Ansicht außerhalb der eigenen Community in Frage gestellt, gleicht das fast einem persönlichen Angriff“, sagt Schartner.
Ein weiterer Faktor, der besonders Trollen und Internet-Pöblern das Leben leicht macht, ist die Anonymität im Internet. Wer im echten Leben schüchtern und zurückhaltend ist, kann sich im Netz austoben oder angestaute Aggressionen loswerden, ohne sich um Konsequenzen kümmern zu müssen – schließlich weiß niemand, wer sich hinter einem Nutzernamen verbirgt. Gefährlich wird es, wenn durch diese Anonymität die Hemmschwelle für toxisches und destruktives Verhalten immer weiter sinkt. Gepaart mit der Meinung, dass Kommentare im Netz keine echten Auswirkungen auf die Realität haben, entsteht so der ideale Nährboden für Mobbing und Trolling.
Hinzu kommt, dass durch fehlende Mimik, Tonfall und Körpersprache feine Nuancen der menschlichen Kommunikation verloren gehen, ganz besonders wenn es um Ironie oder Sarkasmus geht, wo nur der Tonfall oder der Blick dem Gegenüber verrät, ob eine Aussage ernst gemeint ist oder nicht. „In vielen Foren und auf einigen Social-Media-Plattformen hat sich daher durchgesetzt, hinter eine sarkastisch gemeinte Äußerung das Kürzel ‚/s‘ zu setzen, um Missverständnisse zu vermeiden“, erklärt Schartner.
Auch die Tatsache, dass Reaktionen meist zeitversetzt erfolgen, trägt dazu bei, dass die Streitkultur im Internet zunehmend schwierig wird. Der Experte warnt: „Durch die asynchrone Kommunikation können Beiträge geplant, überdacht, aber auch angegriffen werden, wenn der andere gerade offline ist. Das kann man für seine eigenen Zwecke ausnutzen und die Mehrheitsmeinung in seinem Sinne beeinflussen, ohne dass sich das Gegenüber wehren kann.“
Doch nicht nur die Nutzer sind für die Verschärfung des Tons im Internet verantwortlich. Auch die Plattformen selbst tragen dazu bei, indem ihre Algorithmen Beiträge mit viel Interaktion vermehrt ausspielen und sie dadurch sichtbarer machen. Heißt im Klartext: Je verbissener die Diskussionsteilnehmer sich gegenseitig bekriegen, desto mehr Leute werden in den Streit hineingezogen. So kann selbst aus eigentlichen Nichtigkeiten ein veritabler Shitstorm werden.
Damit ist es an der Zeit, sich einmal die häufigsten Formen der toxischen Debattenführung anzusehen. Am bekanntesten dürfte der bereits erwähnte Shitstorm sein. Darunter versteht man eine große Menge an Empörungsantworten oder Angriffen gegen eine Person, ein Unternehmen oder eine Stellungnahme – oft begleitet von massenhafter Ablehnung, Beleidigungen oder Häme. „Dabei reicht es, wenn eine kleine, aber laute Gruppe sich provoziert fühlt, auch wenn das nie die Intention des Beitrags war“, erklärt Schartner. Oft werde dabei zu Anfang emotional argumentiert und interpretiert, bis die Lage eskaliert.
Häufig genutzt werden auch Ablenkungsstrategien nach dem Motto „Ja, aber was ist mit …?“. Anstatt auf das ursprüngliche Argument einzugehen, wird ein neuer Diskussionspunkt eingebracht, um den Diskurs zu relativieren oder zu verzerren. Dieses Phänomen wird auch als Whataboutism bezeichnet. Ein Beispiel ist die „All lives matter“-Bewegung, die als Antwort auf die „Black lives matter“-Bewegung entstanden ist. Während wohl niemand bestreiten kann, dass natürlich alle Leben wertvoll und schützenswert sind, lenkt „All lives matter“ vom zugrundeliegenden Problem ab und verhindert so einen objektiven Diskurs darüber, wie man die Probleme lösen könnte, die überhaupt zur Gründung der „Black lives matter“-Bewegung geführt haben.
Besonders gefährlich sind auch die bereits erwähnten Trolle, die ganz bewusst mit ihren Kommentaren Öl ins Feuer gießen, um die Diskussion anzuheizen und zu provozieren. Eskaliert die Situation, kann es zu einem sogenannten Flamewar kommen, in dem nicht mehr argumentiert, sondern mit Beleidigungen um sich geworfen wird.
Bleibt die Frage, wie man eine gesunde Streitkultur im Netz fördern kann, denn viele Themen können und sollten besprochen werden, auch wenn sie kontrovers sind – natürlich immer mit Respekt vor anderen Meinungen. Eine sachliche Argumentation ist dabei das A und O. Sobald man sich von Emotionen leiten lässt, geht die Objektivität schnell verloren. Wichtig ist es auch Quellen für Aussagen nennen zu können. „Damit ist nicht gemeint, dass der Onkel der Cousine einer Freundin das so erlebt habe, sondern nachprüfbare Fakten. Natürlich muss man keine wissenschaftliche Abhandlung schreiben, aber etwas mehr empirische Relevanz als Hörensagen sollte eine Behauptung doch haben“, sagt Schartner. „Im Zweifelsfall kann man sich auch ganz einfach ein wenig zurückhalten. Nicht jeder Kommentar muss beantwortet werden. Im Gegenteil: Gerade Trolle sollte man ganz einfach ignorieren.“
Auch die Online-Plattformen können einen Beitrag dazu leisten, die Streitkultur im Internet zu verbessern, indem sie den Moderatoren in Foren und Gruppen erlauben, Trolle und Provokateure zu sanktionieren, beispielsweise indem sie gesperrt und entsprechende Beiträge gelöscht werden. Das Schließen von einzelnen Posts kann mitunter sinnvoll sein, auch wenn scheinbar noch viele Nutzer ihre Meinung zum Thema kundtun wollen.
„Der wichtigste Tipp ist allerdings: Schütze dich selbst“, fasst Schartner zusammen. „Wenn man merkt, dass eine Diskussion im Netz einen belastet oder man befürchtet, selbst emotional zu überhitzen und von der Diskussion in einen Streit abzugleiten, ist es völlig legitim und manchmal sogar notwendig, sich auszuklinken.“
Weitere Informationen zum Thema gibt es auf der Webseite von SpardaSurfSafe unter https://www.spardasurfsafe-bw.de/trends-phenomenons/6c8a073c-7627-4336-a6fd-6918f843186b. Hier finden sich auch viele weitere spannende Beiträge rund um das Thema Sicherheit im Internet.
Über SpardaSurfSafe – eine Initiative der Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg
Veranstalter und Träger von SpardaSurfSafe ist die Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg, die gemeinsam mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg und dem Verein Sicherheit im Internet e. V. das Großprojekt im 14. Jahr durchführt. In Kooperation mit den IT-Sicherheitsexperten der 8com GmbH & Co. KG wurde ein Konzept entwickelt, das die Schüler im Rahmen des Unterrichts im Umgang mit den Neuen Medien aufklärt. „SpardaSurfSafe ist für uns ein Herzensprojekt, das wir mittlerweile in 35 verschiedenen Städten in Baden-Württemberg durchgeführt haben. Über 500.000 Teilnehmer konnten seit dem Start von dem Programm profitieren. Dafür bekommen wir durchweg positives Feedback von den Teilnehmern, ob Schüler, Eltern oder Lehrer“, erklärt Patrick Löffler vom Verein Sicherheit im Internet e. V.
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