Pastor der Reformadventisten in Kirgistan zu drei Jahren Haft verurteilt

Breaking News:
Montag, Juli 21, 2025
Wie die norwegische Menschenrechtsorganisation „Forum 18“ in Oslo mitteilte, ordnete der Richter die Abschiebung des 65-Jährigen nach Haftverbüßung an. Shreider ist russischer Staatsbürger. Der Pastor wies alle Anklagepunkte zurück und bereite die Berufung gegen das Urteil vor, sagte sein Anwalt. „Es wurden keine Beweise für die Anstiftung zur Feindseligkeit vorgelegt und im Prozess auch nicht bewiesen“, sagte einer der Anwesenden gegenüber „Forum 18“. „Eine einzige CD, wie der Richter bei der Urteilsverkündung verlas, diente als Beweis für die Schuld an dem Verbrechen. Doch bei der Einsichtnahme im Gerichtssaal war sie leer. Der Richter führte keine weiteren Beweise für die Schuld an. Dennoch wurde das Urteil verkündet.“ In der Anklageschrift gebe es laut seinem Anwalt keinen einzigen Hinweis auf die Personen, mit denen Shreider die genannten Verbrechen verübt haben soll, und auch keine konkreten Namen. Auch gebe es keine konkreten Beweise für illegale Handlungen, die er angeblich in den Medien, im Internet, öffentlich oder anderweitig begangen habe.
Die Geheimpolizei des Nationalen Sicherheitskomitees (NSC) verhaftete Pastor Shreider im November 2024 in Bischkek. Beamte durchsuchten seine Wohnung und die von etwa zehn weiteren Kirchenmitgliedern. Sie beschlagnahmten Bücher, darunter Bibeln, sowie Bargeld und Mobiltelefone. Die Geheimpolizei des NSC habe inzwischen die meisten der 2.196 Bücher zurückgegeben, die sie bei den Razzien im November 2024 beschlagnahmt hatte. „Etwa 20 Prozent befinden sich noch beim NSC und wurden nicht zurückgegeben“, sagte eine Person gegenüber Forum 18“.
Am 19. März 2025 erklärte das Bezirksgericht in Alamüdün in einem von der Geheimpolizei des NSC eröffneten und von der regionalen Staatsanwaltschaft in Tschüj vor Gericht gebrachten Zivilverfahren die Wahren und Freien Siebenten-Tags-Reformadventisten zu einer „extremistischen“ religiösen Organisation und verbot ihre Aktivitäten im ganzen Land. Die Gemeinde hat gegen das Verbot beim Obersten Gerichtshof Berufung eingelegt, ein Termin für die Anhörung wurde jedoch noch nicht festgelegt, so „Forum 18“.
„Pavel Shreider wird im Untersuchungsgefängnis bleiben, bis zumindest die Berufung verhandelt ist“, sagte einer der Prozessbeteiligten gegenüber „Forum 18“. „Wir können ihn besuchen. Seine Bedingungen dort sind in Ordnung. Er kann seine eigenen Bücher lesen, die wir ihm mitgebracht haben, einschließlich der Bibel.“ Weitere Informationen bei www.forum18.org
Reformadventisten
Am 28. Juli 1914 brach in Europa ein Krieg aus, der alle bisherigen Dimensionen in den Schatten stellte. Viele Adventisten sahen in diesem „Großen Krieg“ ein Zeichen des Weltendes. Während bis dahin nicht wenige Adventisten den Dienst beim Militär am Sabbat verweigert und dafür teilweise drastische Strafen in Kauf genommen hatten, wurde jetzt von manchen die Meinung vertreten, zur Vorbereitung auf die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Jesu gehöre es, nicht nur den Dienst am Sabbat (Samstag) zu verweigern, sondern auch den Gebrauch der Waffe beim Militär abzulehnen, so Holger Teubert, früherer Leiter der Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland.
Doch aus Sorge um ein staatliches Verbot der Freikirche sandte die deutsche Leitung der Siebenten-Tags-Adventisten am 2. August 1914 – kurz nach der allgemeinen Mobilmachung – ein Rundschreiben an ihre Gemeinden in Deutschland, in dem sie empfahl: „Soweit wir im Heer stehen oder ins Heer eintreten müssen, [sollten wir] unsere militärischen Pflichten freudig und von Herzen erfüllen […] Aus Josua 6 ersehen wir, dass die Kinder Gottes von den Kriegswaffen Gebrauch gemacht und auch am Sabbat den Kriegsdienst versehen haben.“
Dieses Schreiben und weitere Veröffentlichungen riefen in den Gemeinden einen vielschichtigen Protest hervor, der zu Spannungen und zu Spaltung führte. Daraus entwickelte sich ab 1915 eine eigene Konfession, die sich als „Reformationsbewegung“ bezeichnete und der Muttergemeinde „babylonischen Abfall“ vom wahren Adventglauben vorwarf.
Obwohl das Rundschreiben vom 2. August 1914 von der adventistischen Weltkirchenleitung (Generalkonferenz) mit Sitz in den USA kritisiert und mit ähnlichen Verlautbarungen von der deutschen Leitung bereits 1920 und nochmals 1923 mit „Bedauern“ als „fehlerhaft“ zurückgezogen wurde, kam es nicht zu einer Versöhnung. So blieb bis heute die weltweite Spaltung, trotz eines Schuldbekenntnisses der Freikirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland aus dem Jahr 2014, bestehen, bedauert Teubert.
Die Reformationsbewegung erlebte 1951 ebenfalls eine weltweite Spaltung. Laut Teubert gibt es seitdem die „Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten Reformationsbewegung“ (STAR) mit ihrer Generalkonferenz in Roanoke, Virginia/USA. Zu ihr gehören rund 45.000 Mitglieder in über 130 Ländern. Die „Internationale Missionsgesellschaft der Siebenten-Tags-Adventisten Reformationsbewegung“ (IMG) hat ihre Weltkirchenleitung in Cedartown, Georgia/USA. Sie umfasst nach eigenen Angaben rund 38.000 Mitglieder in 142 Ländern. In Deutschland hat die STAR etwa 200 Mitglieder in sechs örtlichen Kirchengemeinden und die IMG circa 350 Mitglieder in 16 Gemeinden. In der Schweiz unterhalten beide Reformgruppen keine Gemeinden. In Österreich gehören zu jeder Gruppe drei Gemeinden mit insgesamt 60 Mitgliedern. Sowohl die STAR wie auch die IMG betrachte sich jeweils als die einzige wahre und legitime Reformationsbewegung unter den Adventisten.
Zum Vergleich: Zur Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten gehören in Deutschland 34.500 Mitglieder mit 537 Kirchengemeinden. Weltweit zählt die Freikirche 22,8 Millionen Mitglieder in 212 Ländern und Regionen.
Die Wahren und Freien Siebenten-Tags-Reformadventisten
Während des Ersten Weltkriegs seien in Russland etwa 500 Adventisten zur Armee einberufen worden. Die meisten wären Nichtkämpfer gewesen. Etwa 70 von ihnen seien wegen ihrer Weigerung, eine Waffe in die Hand zu nehmen, ins Gefängnis oder in Arbeitslager geschickt worden. Trotzdem hätten auch in der Sowjetunion die Reformadventisten in den 1920er-Jahren Mitglieder der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten abwerben können, so Teubert. Als sich die Reformadventisten 1951 weltweit spalteten, gab es auch in der UdSSR zwei Gruppen von ihnen.
Laut Dr. Daniel Heinz, dem ehemaligen Leiter des Historischen Archivs der Siebenten-Tags-Adventisten in Europa in Friedensau bei Magdeburg, entstand in der Sowjetunion eine weitere Gruppe von Reformadventisten. Sie wurde geprägt von Wladimir Adrejewitsch Shelkov, geboren 1895 in Bolshaya Viska in der Südukraine. Er war Baptist, schloss sich aber 1923 der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten an, die ihn 1927 zum Pastor ordinierte. Als die adventistische Kirchenleitung in Moskau anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Freikirche in Russland ihre Loyalität zur Sowjetregierung schriftlich bekanntgab, betrachtete Shelkov dies als Verrat am Evangelium. Er gründete 1929 unter dem Einfluss der Reformadventisten zusammen mit P. Mazhura eine eigene adventistische Splittergruppe, die jegliche Zusammenarbeit mit der Regierung, wie Registrierung und Waffendienst, strikt ablehnte. Shelkov wurde stellvertretender Leiter der Gruppe und nach dem Tod von Mazhura 1954 in einem Arbeitslager Vorsteher der Wahren und Freien Reformadventisten. Diese Gruppe grenzte sich nicht nur von der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ab, sondern auch von den in Deutschland im Ersten Weltkrieg entstandenen Reformadventisten.
Die Jahre 1931–1934 verbrachte Shelkov als Lagerhäftling in Berezovo im nördlichen Ural. Von 1934–1945 lebte er als Prediger im Untergrund und wechselte häufig seinen Wohnort. Im Mai 1945 wurde er in Pyatigorsk verhaftet und von einem Militärtribunal wegen „antisowjetischer Agitation“ zum Tod durch Erschießen verurteilt. Das Urteil wurde nach 55 Tagen Haft in der Todeszelle in eine zehnjährige Arbeitslagerhaft in Spassk bei Karaganda umgewandelt. Nach seiner Entlassung lebte er in Dzhambul, wo er 1957 erneut festgenommen wurde. Weitere zehn Jahre in Arbeitslagern folgten. In Potma (Ural) traf Shelkov erstmal mit bekannten Menschenrechtsaktivisten wie Alexander Ginzburg zusammen. Die Begegnung mit dem politischen Dissidententum prägte seine weitere Arbeit, die nach seiner Haftentlassung zur Gründung einer der größten Untergrundpressen „Vernyi Svidetel“ (Der wahre Zeuge) des Landes führte. Laut Daniel Heinz befasste sich Shelkov in der von ihm herausgegebenen Literatur nicht nur mit theologischen Fragen, sondern auch mit Themen über das Verhältnis von Kirche und Staat, Religions- und Gewissensfreiheit, Menschenrechte usw. Seine Literatur unterstütze den religiös motivierten Flügel der sowjetischen Menschenrechtsbewegung und wurde im Westen durch englische Übersetzungen bekannt. Im Kommunismus sah Shelkov die Macht des biblischen Antichristen.
1978 wurde er in Taschkent verhaftet. In einem spektakulären Prozess verurteilte ihn das Gericht zu fünf Jahren Freiheitsentzug in einem Arbeitslager. Zu dem Prozess war auch der Menschenrechtler Andrei Sakharov zu seiner Verteidigung angereist, wurde aber vom Gericht nicht zugelassen. Das Urteil kam für den 83-Jährigen einem Todesurteil gleich. Sheldov starb 1980 unter den unmenschlichen Bedingungen seiner Haft in Tabaga bei Jakutsk in Nordostsibirien. Shelkov hatte insgesamt 25 Jahre seines Lebens in Gefängnissen zugebracht. Sakharov zählte ihn zu den „größten christlichen Humanisten unseres Jahrhunderts“. Shelkov leistete einen beachtlichen Beitrag im Kampf um die Etablierung der Menschenrechte in der Sowjetunion, so Daniel Heinz.
Adventistischer Pressedienst Deutschland APD
Sendefelderstr. 15
73760 Ostfildern
Telefon: +49 4131 9835-533
http://www.apd.info