Der Zusammenhang mit der Pandemie ist für die Coface-Analysten signifikant. „Die politischen Risiken insgesamt dürften durch die COVID-19-Pandemie noch deutlich verschärft werden“, erklärt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. „Neben einer möglichen Zunahme der Bürgerunruhen könnten Missstände im Zusammenhang mit COVID-19 auch soziale Bewegungen aus der Zeit vor Corona wiederaufleben lassen und verstärken, wie die in Hongkong, Frankreich und Chile, um nur einige zu nennen.” Der Iran und die Türkei gehören zu den Ländern, in denen das politische Risiko am stärksten zugenommen hat.
Konflikte, soziale Instabilität und Populismus sind, mit verschiedenen Variablen, die Indikatoren, mit denen Coface politische Risiken misst und in einem „Political Risk Index“ erfasst. In diesem Jahr haben die Experten einen Index hinzugefügt, der die Meinung der Öffentlichkeit über den Umgang der jeweiligen Behörden mit der Gesundheitskrise misst. Der jetzt aktualisierte Political Risk Index beschreibt eine gegenläufige Bewegung. Die Abnahme des Konfliktrisikos auf globaler Ebene wird durch die Zunahme des Risikos politischer und sozialer Fragilität ausgeglichen.
Wo werden sich Bevölkerungsgruppen mit größerer Wahrscheinlichkeit gegen ihre Regierungen wenden? Diese Frage will Coface mit dem Index beantworten. „Es sind Länder, deren politische und soziale Fragilität über dem weltweiten Durchschnitt liegt, und die zudem von der Gesundheitskrise besonders betroffen sind“, erklärt Christiane von Berg. „Unsere Analyse zeigt, dass mehrere lateinamerikanische Länder, Brasilien, Mexiko, Peru, Kolumbien, sowie Südafrika sowohl ein hohes politisches und soziales Risiko als auch eine hohe Exposition gegenüber der COVID-19-Krise aufweisen.“
Obwohl sie weniger von der Gesundheitskrise betroffen sind als die fünf genannten Länder, könnten laut Coface auch China, Russland, Saudi-Arabien und Marokko in diese Liste der zu beobachtenden Länder aufgenommen werden. Chile, Indien, Argentinien und Singapur scheinen nach dem Indikator für politische und soziale Fragilität zwar weniger gefährdet zu sein. Doch angesichts der schweren Auswirkungen der Gesundheitskrise auf das Leben ihrer Bevölkerungen sollte das Risiko der Unzufriedenheit nicht übersehen werden.
In den Industrieländern ist der Grad der Unzufriedenheit mit der Bewältigung der Gesundheitskrise in Spanien, den USA, Großbritannien und Frankreich am größten. In Spanien und den Vereinigten Staaten zeigten sich weniger als 40 Prozent der Bevölkerung zufrieden. Hier ist der Indikator für politische Risiken zudem am höchsten.
„Die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus sind eine neue Quelle von Spannungen und werden nicht nur Länder mit sozialen Umwälzungen vor der Krise betreffen“, meint Christiane von Berg. Spannungen würden vielmehr auch durch die Auswirkungen der Rezession auf Beschäftigung, Haushaltseinkommen und Ungleichheit entstehen. Darüber hinaus könnten potenzielle Sparmaßnahmen, die auf die Rekord-Konjunkturpakete zur Eindämmung der Krise folgen dürften, politische und staatliche Risiken vermischen, insbesondere in Schwellenländern.
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